Zwei Übungen stehen für das Kettlebell Training wie keine anderen: Der Turkish Get up und der Kettlebell Swing.
Bei beiden Übungen handelt es sich um komplexe ganzkörper Übungen, bei denen der gesamte Körper trainiert wird. Startet man mit dem Kettlebell Training, so werden diese beiden Übungen zu allererst gelehrt. Sie sind sozusagen die Basics des Kettlebell Training.
Pavel Tsatsouline, der Gründer der größten Kettlebell Schule „Strongfirst“ hat aus diesen beiden Kettlebell Übungen das genialste Kettlebell Workout der Welt kreiert. Simple and Sinister – einfach und böse zugleich!
Der Kettlebell Swing
Der Kettlebell Swing stellt die Basis aller ballistischen Kettlebell Übungen dar. Ballistik = Lehre von der Bewegung von geschossenen und geschleuderten Körpern.
In unserem Zusammenhang bedeutet das, daß es sich beim Kettlebell Swing um eine Übung mit einem „abgeschossenen Gewicht“ handelt. Insofern handelt es sich bei dem auf der Kugel stehenden Gewicht auch nicht um das tatsächlich absolut bewegte Gewicht, da durch die Beschleunigung der Kugel völlig andere Kräfte auf uns wirken, als die auf der Kugel stehenden Kiloangaben.
Manch ein Kraftsportler amüsiert sich vielleicht darüber, mit was für kleinen Gewichten wir im Kettlebell Training trainieren, wundert sich dann aber doch, wie fordernd es ist, wenn er es mal ausprobiert.
Der Kettlebell Swing stellt eine Hüftbeuge mit einer explosiven Hüfststreckung dar. Als Hiphinge-Muster ist der Swing demzufolge am dichtesten mit den Übungen Deadlift und Good Morning verwandt. Er trainiert somit insbesondere die hintere Kette. Da jedoch die Schultern durchgehend stabilisiert werden müssen, der Rumpf stabilisiert werden muß und auch die Oberschenkelvorderseiten angespannt werden, spricht man von einer Ganzkörperübung. Wenn man anfängt die Übung zu erlernen, oder mal 500 Swings täglich im Rahmen der Swing Challenge absolviert hat, spürt man das recht deutlich.
Durch die explosive Ausführung des Kettlebell Swings werden insbesondere Typ 2 Muskelfasern rekrutiert, welche nur mit explosiven Übungen angesprochen und trainiert werden können. Er stellt somit im Explosivkrafttraining eine gute Alternative zu springen, sprinten, boxen und treten dar und ist aus diesem Grunde eine hervorragende Ergänzung für das Kampfsporttraining.
Ebenso stellt er aber auch eine wunderbare Möglichkeit für ältere Menschen dar, die Explosivkraft mit geringem Verletzungsrisiko zu trainieren, da uns beim Altern die schnellen Typ 2 Muskelfasern zu allererst verlassen.
Der Turkish Get Up
Der Turkish Get Up, zählt zu den Grinds (to grind = abrackern). Als Grinds bezeichnet man die langsamen Kettlebellübungen, also den Turkish Getup, den Kettlebell Press, den Squat, aber auch den Bentpress und die Windmill.
Der Turkish Get Up erfordert ein hohes Maß an Koordination und Stabilität. Er vereint diverse Bewegungsmuster miteinander, so dass auch er den ganzen Körper trainiert. Er beginnt mit einem beidhändigen Floor Press, geht weiter über eine seitliche Rotationsbewegung, selbst ein HipHinge ist enthalten, sowie ein Ausfallschritt und eine Standing Plank – ich hoffe ich habe nichts vergessen.
Der Turkish Get up, kurz TGU genannt, schult unsere Propriozeption (Wahrnehmung im Raum) wie kaum eine andere Übungen, da ständig die Gelenkstellung sämtlicher Gelenke zueinander abgeglichen werden muß. Durch den Turkish Get Up baut man Stabilität, Kraft und Beweglichkeit gleichermaßen auf.
In Simple und Sinister hat Pavel Tsatsouline die beiden Übungen Turkish Get Up und Kettlebell Swing zu einem derart einfachen aber genialen Programm zusammengestellt, dass man mit diesem einen Programm, regelmäßig trainiert, eine alltagsorientierte gute Fitness aufbauen kann.
Während Pavel in Enter the Kettlebell noch empfiehlt je einen Turkish Get Up pro Seite zu machen, gefolgt von 10 Swings, werden bei Simple and Sinister zuerst 100 Kettlebell Swings in 5 Minuten absolviert, gefolgt von einer Minute Pause um dann 10 Turkish Get Up innerhalb von 10 Minuten hinterherzuschieben.
Die Tücke liegt wie so oft im Detail, wer es schon mal ausprobiert hat, wird festgestellt haben, dass die Reihenfolge hier einen elementaren Unterschied macht. Es ist um einiges anstrengender die Turkish Get Up nach den Kettlebell Swings zu machen als anders herum.
Wenn man bedenkt, dass man genau die gleiche Arbeit vollbracht hat, wenn man in der gleichen Zeit mit dem gleichen Gewicht arbeitet und es trotzdem ein derart großer Unterschied in der gefühlten Leistung ist.
vom Anfänger zum Fortgeschrittenen
Eine durchschnittlich starke Frau wird das Programm Simple and Sinister vorraussichtlich mit 16kg für die Kettlebell Swings und 8 kg für die Turkish Get Up absolvieren können, eine stärkere Frau wird mit 16kg Kettlebell Swings und 12kg Turkish Get Up starten können.
Ein durchschnittlich starker Mann startet die Kettlebell Swings mit 24kg und die Turkish Get Up mit 16kg, ein stärkerer kann beide Übungen mit 24kg versuchen.
Die Angaben stellen natürlich erstmal eine grobe Einschätzung dar, wenn Du Dich mit den genannten Kugeln noch nicht sicher fühlst, kannst Du selbstverständlich auch kleinere nehmen.
Wenn Du noch nicht wirklich sicher im One Arm Kettlebell Swing bist, solltest Du das Programm mit zweihändigen Kettlebell Swings starten. Absolutes A + O ist es natürlich durchgehend in perfekter Form arbeiten zu können. Wichtig bei den Kettlebell Swings ist vor allem dass sie richtig schön explosiv ausgeführt werden – vom ersten bis zum letzten.
From Simple to Sinister
Wenn Du die Einstiegsgrössen gemeistert hast, und die Swings in perfekter Form als One-Arm-Kettlebell-Swings absolviert kriegst, dann gehts langsam ans steigern, die Challenge von Simple to Sinister kann beginnen.
Pavel empfiehlt als „Simple“ Goal für Frauen den Kettlebell Swing mit 24kg und den Turkish Get Up mit 16kg anzuvisieren, und für Männer beide Übungen mit 32kg.
Um das von Pavel vorgeschlagene „Sinister“ Goal zu erreichen wirds dann langsam ernsthaft böse: Frauen versuchen die Kettlebell Swings mit 32kg und die Turkish Get Up mit 24kg zu erreichen. Für Männer sind dann beide Übungen mit 48kg anzustreben.
Was ich nie verstanden habe: Warum Pavel bei Frauen für die Turkish Get Up immer die kleineren Kugeln vorgesehen hat und für die Kettlebell Swings die Größeren. Für mich persönlich waren immer die Kettlebell Swings die limitierende Übung. Aufgrund meiner offensichtlichen Swing Schwäche (oder TGU Stärke – keine Ahnung), habe ich es immer so gehalten, dass ich mich den Männern angepasst habe, und beide Übungen meistens mit der gleichen Kugelgröße absolviere.
Was es kann und was es nicht kann
Ich liebe dieses einfache und geniale Programm. Für weniger sportlich ambitionierte reicht dieses Programm vollständig aus, um gut zu trainieren und stark für den Alltag zu werden.
Für den ambitionierten Sportler reicht es natürlich nicht aus, nur Simple and Sinister zu trainieren. Es ist dafür einfach nicht spezifisch genug. Wenn Du Fähigkeiten wie Deine Pressleistung, Deadlifts, Kniebeugen und Klimmzüge verbessern willst, solltest Du diese Übungen auch trainineren.
Simple and Sinister verbessert Deine allgmeine Fitness, bringt reichlich Stabilität, Ausdauer und Explosivität. Aber um spezielle Fähigkeiten zu erwerben, solltest Du diese natürlich auch trainieren.
Für den ambitionierten Sportler eignet sich Simple and Sinister perfekt als Finisher – wenn man eh geplant hat Kettlebell Swings als Finisher zu machen, kann man die doch auch gleich noch mit den Turkish Get Up kombinieren und schon ist das ganze ne runde Sache.
Ebenso eignet es sich aber auch ganz fantastisch als Warm-up. Wenn Du doch sowieso Dein Training mit Turkish Get Up beginnst, kannst Du doch auch gleich noch 100 Kettlebell Swings machen, und bist perfekt aufgewärmt.
Zu guter Letzt eignet sich das Programm noch super für leichte Trainingstage, schnelle Trainingstage und in Deload Phasen, als einziges Workout am Tag. Ausserdem eignet es sich ganz toll für den Urlaub um sich seine Gainz zu erhalten. Man muß nicht viel mitnehmen, lediglich eine gut ausgewählte Kugel, und muß nicht viel Zeit opfern.
Rumspielen mit Simple and Sinister Variations
Laut Pavel soll man bei dem Programm nicht rumstressen. Natürlich auf keinen Fall zu Lasten der Form. Den Timer braucht man nur selten mal benutzen. Es reicht vollkommen wenn man beide Übungen in seinem eigenen Tempo absolviert.
Ich kann es trotzdem nicht lassen – natürlich auf keinen Fall zu Lasten der Form! Zumal man sich nicht ständig steigern kann, und man auch nicht jeden Tag für die schwerstmögliche Variante aufgelegt ist, habe ich angefangen mit Kugelgrößen und Zeiten herum zu spielen.
Die jetzt folgenden Tips sind nichts für Anfänger, sondern nur für fortgeschrittene Kettlebell Sportler zu empfehlen:
Da ich schon immer das Problem hatte, dass ich in Swings deutlich schwächer war als in den Turkish Get Up, aber trotzdem meistens beides mit der gleichen Kugel mache, habe ich es irgendwann eingeführt die TGUs schneller zu machen. Es läuft dann quasi auf ein Simple and Sinister „for Time“ hinaus. Ich gebe zu, es ist verdammt verlockend, das ganze Programm in 10 Minuten zu absolvieren. Letztendlich ist es ja alles nur eine Frage des gewählten Gewichts.
Ganz nett ist auch die Variante, eine eher leichte Kugel zu wählen und das gesamte Programm ohne abzusetzen zu absolvieren, bestenfalls die Kettlebell Swings mit nur einem Handwechsel und die Turkish Get Up ebenfalls mit nur einem Handwechsel zu absolvieren, das ganze AFAP „as far as possible“.
Um mich richtig zu challengen, dreh ich einfach die Zeiten um! Soll heissen, ich mach 200 Swings in 10 Minuten, und die Turkish Get Up in 5 Minuten hinterher. Zu guter letzt lässt sich natürlich auch noch an der Übungsauswahl drehen. Pavel schlägt selbst vor die Turkish Get Up durch Bentpresses zu ersetzen. Ebenso gehen aber auch Windmills. Die Kettlebell Swings lassen sich auch wunderbar gegen Kettlebell Snatch erstzen, das grenzt für meinen Geschmack aber schon stark an Masochismus 😉
Meine Meinung zu diesem Programm
5/5 Turkis Get Up &
100 Kettlebell Swings
keeps the Doctor away!
Was hast Du für Erfahrungen gemacht mit dem Programm?
Falls Du Variationen kennst, die ich noch nicht kenne, lass es mich wissen.
Vielleicht möchtest Du das Kettlebell Training aber auch erst erlernen? Dann bist bei mir als Personal Trainer in Lübeck genau richtig
Schreibe mir hier oder in den Kommentaren um Dein Wissen auch anderen Lesern zur Verfügung zu stellen – ich freu mich auf Dein Feedback
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Schöner Bericht!
Mir geht es mit den Gewichten genau wie die 🙂 wahrscheinlich liegt es bei mir daran, dass ich oft zu faul für Swings war und nur TGU’s absolviert hatte.
Das Resultat: 10x36kg TGU ohne Probleme, aber Swings werde ich jetzt erst von 16kg langsam auf 20kg steigern.
Ich glaube für Swings braucht man einen richtig fitten Rumpf und eine gute Ausdauer, für TGU’s reichen eine gute Koordination gepaart mit etwas Erfahrung 🙂 finde die „Sinister-Vorgaben“
total crazy, 48kg Swings!? Alter Schwede…
48kg TGU finde ich dagegen für mich (1,85m 90kg) in naher Zukunft nicht unmöglichweit. Ich werde 2021 berichten.
Die Routine aus Enter the Kettlebell hatte ich vor ein paar Jahren nach einem Lehrgang für ca 2 Monate 3x pro Woche ausgeführt. Wenn ich mich richtig erinnere habe ich für 5 Durchgänge bis zu 40 Minuten gebraucht, es war im Sommer in meiner Dachgeschosswohnung…
Genau vor dem Training hatte ich mir ein perfekt sitzendes Hemd für eine Hochzeit gekauft. 6 Wochen später konnte man zwischen jeden Knopf das Unterhemd sehen, ich hatte eine super Haltung bekommen und sah sehr „stabil“ aus, und das alles ohne „Bodybuilding“.
Ich finde klassische Übungen mit Hanteln oder an Geräten so unendlich langweilig und sich so zu motivieren/fokussieren alles überwiegend für die Optik!?
When we say strenge – we mean Kettlebell.
When we say Kettlebell – WE mean strenge.
-Pavel
Hey, danke für Deinen Kommentar. Also bei mir liegts einfach an fehlender Hüftpower. Ausdauer trainiert sich relativ einfach, und darüber kann ich mich nicht beschweren, zumindest wenn ich es gerade in meinem Focus habe. Aber bei der Hüftpower denke ich manchmal, dass es an meinem Alter liegt. Man braucht halt für Swings relativ viel Explosivkraft, die bestimmt wird durch Fast twitch Muskelfasern. Diese sind erstens schon mal stark genetisch bedingt – ist man zb. eher der Sprinter oder Langstreckenläufer… und zweitens verlassen sie einen im Alter auch relativ früh und sind schwer aufzutrainieren. Ich beneide jedenfalls manchmal die jungen Dinger die die dicken Kugeln swingen als wärens 16er…